• Alida Bremer

    Alida Bremer

    autorin
    übersetzerin
    herausgeberin
    literaturwissenschaftlerin

Meine Vision Europas

Der griechische Pilger Pontus fand zu Beginn des 10. Jahrhunderts, so lautet die Legende, Unterschlupf unter einem Aquädukt in einer Bucht am Tyrrhenischen Meer, wo schon Salernus, ein Latiner, Zuflucht vor dem Sturm gesucht hatte. Salernus war verletzt und behandelte seine Wunde mit ungewöhnlichen Kräutern, die Pontus neugierig machten. Er, ein Christ östlicher Prägung, erzählte Salernus, einem Christen westlicher Prägung, wie eine Wunde seines Wissens nach zu behandeln sei. Zwei weitere Personen suchten in jener Nacht nach einem Versteck, der Jude Helinus und der Araber Abdela. Hinzugekommen, kümmerten sich auch sie – jeder nach seiner Tradition – um die Wunde von Salernus, die schnell heilte, und die vier kamen überein, gemeinsam eine Schule zu gründen. Es war die Geburtsstunde dessen, was wir heute als westliche Schulmedizin verstehen. In der Medizinschule von Salerno, deren Blütezeit im 12. Jahrhundert lag, durften auch Frauen studieren und lehren.

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Mariupol

GIVE PEACE A CHANCE
Gott schaute nicht zu, er/sie/es war tot, als
In Mariupol, einer Stadt nach der Gottesmutter benannt
Von Granaten getroffen eine Mutter und ihr ungeborenes Kind starben.
Es war, als wären nun auch Maria und Jesus tot.

Pregnant woman and baby die!
Es war eine der Nachrichten, die die Welt erreichten,
Als sie im Unterschied zu Gott zwar zuschaute, jedoch die
Chancen auf Frieden schlecht standen.
Es war, als würde der Krieg siegen.

Auf meiner Fensterbank erblühte indessen ein roter

Christusdorn, unachtsam dort vergessen, ohne Wasser,
Hungrig und durstig, doch nach Liebe und
Aufmerksamkeit sich sehnend, mit der letzten Kraft mich ermahnend, ihn
Nicht zu vergessen, deshalb blühte er rot, während sich im Fensterglas plötzlich
Cherubinen zeigten, sie sangen himmlisch, und hinter ihnen erschien eine
Engelschar, und dann wusste ich, dass Gottes tote Augen alles gesehen haben.

Alida Bremer, 14.3.2022 (veröffentlicht auf literaturoutdoors.com)

Mars. Erzählungen

In »Mars« zeigt Asja Bakić eine Reihe einzigartiger Universen, in deren Mittelpunkt Frauen stehen, die vor die Aufgabe gestellt sind, der seltsamen Realität, die sie erleben, einen Sinn zu geben. Eine Frau wird von Tristessa und Zubrovka aus einer Art Vorhölle befreit, sobald sie eine Aufgabe erfüllt. Eine Meisterin der Täuschung wird mit jemandem konfrontiert, der ihr Geheimnis kennt. Eine Schriftstellerin soll einen Bestseller unter Pseudonym geschrieben haben, woran sie sich jedoch nicht erinnern kann. Abby scheint ihr Gedächtnis verloren zu haben, und doch weiß sie, dass mit ihrem misstrauischen Ehemann etwas nicht stimmt. Eine weitere muss auf dem Mars über ihr Verbrechen reflektieren, Autorin zu sein.

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Väter

Eine Seite in diesem Magazin würde nicht genügen, wollte man all das auflisten, was die kroatisch-deutsche Schriftstellerin Alida Bremer (62) bereits geschrieben, übersetzt oder herausgegeben hat. Ganz nebenbei kuratiert sie noch Ausstellungen, hält Vorträge, sitzt in Jurys oder moderiert Lesungen. Für DUMMY hat sie einen berührenden Text über vier Väter und deren Familien geschrieben, jede von ihnen auf andere Weise traumatisiert durch die Kriegserlebnisse im ehemaligen Jugoslawien. Auch Alidas Vater gehörte zu dieser Generation. Nachdem der Bauernhof seiner Familie im Krieg zerstört worden war, zerbrach er psychisch ¬– und schaffte es nie wieder, sich zu erholen, bis er am Ende depressiv und dement starb. Nicht allein deshalb ist es Alida, die im kroatischen Split geboren wurde und heute in Münster lebt, so wichtig, zwischen den Kulturen zu vermitteln: den zahlreichen auf dem Balkan und überhaupt allen kulturellen Identitäten Europas.

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Im Handgemenge mit Piraten

Nach dem Grimm`schen Wörterbuch sind Seeräuber »diejenigen, welche auf der see fremden eigenthums sich mit gewalt bemächtigen, um sich zu bereichern, ohne eine vollmacht zu dieser bemächtigung von irgend einem staate zu haben«. Piraten, Corsaren und in gewissem Maße Freibeuter sind andere synonyme Wendungen, die allesamt eine Gegenwelt markieren, eine Welt der Freiheit, der Verwegenheit, der Abenteuerlust. Sie durchsegeln seit Jahrhunderten die Kinderzimmer mit all ihren Träumen, füllen Bibliotheken und Kinosäle.

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Eine Uni – ein Buch - Olivas Garten an der Universität Duisburg-Essen

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Alle Hochschulen in Deutschland waren in der dritten Ausschreibungsrunde eingeladen, ein Buch zu bestimmen, über das ein Semester lang geredet und debattiert werden soll: Mit dem Wettbewerb wollen die Initiatoren den Austausch und die Identifikation aller Hochschulmitglieder und Mitarbeiter mit ihrer Hochschule stärken. Ob Erstsemester oder Fakultätsleiter, Professoren oder Verwaltungsmitarbeiter, die Mitglieder einer Hochschule sollen über das ausgewählte Buch ins Gespräch kommen und sich für ein gemeinsames Thema begeistern. Die zehn besten Ideen und Aktionen werden mit jeweils 10.000 Euro prämiert. Die Projektförderung beginnt mit dem Sommersemester 2019.

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„Das Lesen bringt uns zurück zu uns selbst“ - Interview mit Literatur outdoors

 Liebe Alida, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Aktuell bin ich auf einer Insel inmitten der kroatischen Adria. Es ist eine kleine Insel, auf der ich im Rahmen einer Sommerschule engagiert bin; mit Kolleginnen und Studierenden aus Österreich und Kroatien übersetze ich literarische Texte und diskutiere mit ihnen über Literatur; an den Abenden beobachten wir Sterne, sprechen über Nachhaltigkeit und über die Kenntnisse früherer Generationen, die auf solchen Inseln autark und ohne Hilfe von außen lebten, und die noch wussten, wie man Regenwasser sammelt und filtert, aus Olivenöl Licht gewinnt, wie man Gemüse und Wein anbaut, Ziegenkäse produziert, und wie man aufs Meer fährt, um Fische zu fangen.[...]

Lesen Sie das ganze Interview auf Literatur outdoors.

Deutscher Jugendtheaterpreis 2018

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Der Deutsche Jugendtheaterpreis 2018 geht an 
Dino Pešut (Kroatien) für »Der (vorletzte) Panda oder Die Statik«,
in der Übersetzung von Alida Bremer.

In der Laudatio für Fabrice Melquiot lobte Karola Marsch stellvertretend für die Jury das Stück als
große Tragödie um Liebe, Macht und Herrschaftsansprüche für Kinder. Die Konstruktion des Textes sei ungewöhnlich im Theater für Kinder und überaus bemerkenswert: Melquiot greife zu mythischen, archaischen Gestalten und verschaffe den Kinderfiguren einen eigenen, von der Außenwelt unantastbaren Raum.

In der Jury-Laudatio für Dino Pešut würdigte Christoph Macha das Stück als eines der politischsten des aktuellen Jugendtheaters. Modellhaft verhandele es am Beispiel der gesellschaftlichen Konflikte in Kroatien die großen Krisen der Demokratie, Turbo-Kapitalismus, Angst vor dem Fremden sowie den Verlust von menschlichen Werten. Das Stück mache in messerscharfen Sätzen und knappen Repliken sehr deutlich: Leute, wir müssen aufstehen!